Wilhelm Hey                          Beruhigung

 

Da siehet sie die Dulderin erwachen

Vom Schmerzensschlaf, darin sie lang gelegen;

Der Augen Sterne, die sich froh bewegen,

Scheint neu das Licht des Himmels anzufachen.

 

Ein neues Leben regt sich in der Schwachen,

Sie streckt die Arm ihr liebevoll entgegen,

Genesen preiset sie des Herren Segen,

Der sie gerettet aus des Todes Rachen.

 

Und jene, die gesund ans Herz sie drücket.

Die fürchtend schon sie sah vom Tod erkalten,

Fühlt sich beruhigt nun und hochbeglücket.

 

Auf ewig hat sie nun das Wort erhalten;

Nichts ist, das ihrem Arm sie mehr entrücket;

Denn laut gesprochen hat des Herren Walten.

 

 

 

Wilhelm Hey                          Sorge

 

Sie sitzet an der Kranken Lagerstätte,

Des matten Pulses Schläge nachzuzählen,

Sieht traurig des gepreßten Busens Qualen

Und fleht zum Himmel, daß er sie errette.

 

Es wächst der Schmerzensstunden lange Kette,

Bald wird ihr selbst die Kraft und Hoffnung fehlen;

Doch tief im Busen will sies stets verhehlen,

und weichet nicht von der Geliebten Bette.

 

Ihr Ohr und Auge sind gespannt und lauschen;

Und wie die Pulse stürmen oder schleichen,

Des Atems Züge stärker, matter rauschen,

 

Wie sich die Wangen röten oder bleichen:

So muß sie wechselnd Furcht und Hoffnung tauschen,

Und Schmerz und Freude, nach den leisen Zeichen.